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Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 09.01.2002
Aktenzeichen: 1 Ws 249/01
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 464b |
Oberlandesgericht Dresden 1. Strafsenat Beschluss
Aktenzeichen: 1 Ws 249/01
vom 9. Januar 2002
in der Strafsache gegen
wegen Untreue
hier: Erinnerung und weitere Beschwerde gegen Kostenansätze nach Verurteilung
Tenor:
1. Die Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss des Landgerichts Chemnitz vom 10.05.2001 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Kostenbeamte bei dem Landgericht Chemnitz nicht auf Grundlage der im vorgenannten Beschluss geäußerten Auffassung, sondern nach derjenigen des nunmehrigen Beschlusses des Senats zu entscheiden hat.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
I.
Nachdem der Erinnerungsführer am 25.04.1995 durch das Landgericht Chemnitz wegen Beihilfe zur Untreue in 22 Fällen unter Einstellung des Verfahrens wegen weiterer Tatvorwürfe verurteilt worden war und in diesem Urteil ihm die Kosten des Verfahrens auferlegt wurden, soweit er verurteilt worden ist, und soweit das Verfahren eingestellt wurde die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse auferlegt wurden, hat der Kostenbeamte bei dem Landgericht Chemnitz mit Entscheidungen vom 25.03. und 13.04.1999 gegenüber dem Verurteilten Gerichtskosten festgesetzt. Den gegen die beiden Kostenansätze jeweils eingelegten Erinnerungen des Verurteilten, der geltend macht, die teilweise Auferlegung der Kosten auf die Staatskasse hinsichtlich der eingestellten Tatvorwürfe sei unberücksichtig geblieben, hat der Kostenbeamte nicht abgeholfen, weil ausscheidbare Auslagen nicht feststellbar seien. Eine nachträgliche Quotelung der Auslagen für die teilweise Einstellung des Verfahrens sei nicht möglich.
Die zuständige Kammer beim Landgericht Chemnitz hat mit Beschluss vom 10.05.2001 den Erinnerungen des Verurteilten dem Grunde nach stattgegeben, die Entscheidung des Kostenbeamten aufgehoben und den Vorgang zur nochmaligen Erstellung der Kostenansätze zurückgegeben. In den für bindend erklärten Gründen des Beschlusses hat die Kammer ausgeführt, eine hälftige Teilung der gerichtlichen Kosten zwischen dem Verurteilten und der Staatskasse sei angemessen, weil die eingeholte Auskunft der verfahrensbeteiligten Richter ergeben habe, dass der Anteil der zur Verurteilung bzw. zur Einstellung führenden Tatvorwürfe jeweils ca. 50 % betragen habe.
Hiergegen wendet sich die Beschwerde des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Chemnitz, der die Aufhebung des landgerichtlichen Beschlusses und die Zurückverweisung der Erinnerungen des Verurteilten als unbegründet beantragt. Nachdem die Kostengrundentscheidung des Urteils eine Quotelung der Verfahrenskosten nicht vorgenommen habe, könne dies im Kostenansatzverfahren nicht mehr nachträglich geschehen. Da aber ausscheidbare Kosten nicht feststellbar seien, habe der Kostenbeamte richtig entschieden und von einer Minderung der vom Verurteilten zu tragenden Kosten abgesehen. Die Kammer hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die zulässige Beschwerde ist im Wesentlichen unbegründet. Sie führt lediglich dazu, die Vorgaben des Landgerichts für den Kostenbeamten zu korrigieren.
1. Zutreffend ist zunächst der Ausgangspunkt der landgerichtlichen Entscheidung, dass nämlich der Kostenbeamte zu Unrecht darauf abgestellt hat, ob durch die Teileinstellung des Verfahrens ausscheidbare Kosten entstanden sind. Es ist inzwischen nahezu einhellige Meinung, dass auch bei einer Teileinstellung mit der im vorliegenden Fall erfolgten Kostengrundentscheidung die Entscheidung über die Auslagen der Staatskasse wie der des Angeklagten nach der sogenannten Differenztheorie zu erfolgen hat (statt aller Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl. 2001, § 465 Rdnr. 9 m.w.N.). Danach ist zu fragen, welche Aufwendungen für das Verfahren entstanden wären, wenn Verfahrensgegenstand von vornherein nur die tatsächlich zur Verurteilung gelangten Fälle gewesen wären. Die Differenz zwischen diesem Betrag und den tatsächlich angefallenen Gebühren und Auslagen ist dann der von der Staatskasse zu tragende Teil. Wie die Kammer zu Recht ausgeführt hat, sind bei dieser Differenzrechnung auch die - als Teil der gerichtlichen Auslagen zu betrachtenden (Meyer-Goßner aaO, § 464 a Rdnr. 1 m.w.N.) - Pflichtverteidigergebühren einzubeziehen.
2. Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist der angegriffenen Entscheidung auch insoweit zuzustimmen, als dort die Ansicht vertreten wird, der Kostenbeamte habe auch im Kostenansatzverfahren das ermessensgebundene Wahlrecht, die Differenzmethode streng anzuwenden oder eine Verteilung der Kosten nach Bruchteilen vorzunehmen.
Seinem Wortlaut nach ist § 464 b StPO eine Beschränkung
2. auf die Kostengrundentscheidung nicht zu entnehmen. Ausweislich der Gesetzesmaterialien steht zumindest die Anwendbarkeit im Kostenfestsetzungsverfahren (zur Erstattung von Auslagen des Angeklagten) außer Frage, wie der angegriffene Beschluss näher darlegt. Der Senat teilt auch die Auffassung der Kammer, dass kein Grund ersichtlich ist, zwischen dem Kostenfestsetzungsverfahren, in dem der Rechtspfleger die dem Angeklagten zu erstattenden Auslagen festsetzt, und dem Kostenansatzverfahren, in dem der Kostenbeamte den Anteil der vom Angeklagten zu tragenden Kosten der Staatskasse bestimmt, zu unterscheiden. Dementsprechend folgt sie der explizit (soweit ersichtlich) nur von Hilger (in: Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 464 d Rdnr. 3) vertretenen Ansicht, dass eine Quotelung im Kostenansatzverfahren auch dann in Betracht kommt, wenn die Kostengrundentscheidung eine solche nicht vorgibt. Sofern der Bezirksrevisor in seiner Beschwerde darauf abhebt, dass damit dem Kostenbeamten eine von diesem nicht zu leistende Aufgabe aufgebürdet würde, weist der Senat darauf hin, dass die korrekte Anwendung der Differenztheorie im oben genannten Sinne mindestens ebenso große Schwierigkeiten mit sich bringt.
3. Nicht zu folgen vermag der Senat der Auffassung des landgerichtlichen Beschlusses, dass dem Kostenbeamten eine hälftige Quotelung vorzugeben sei.
a) Zunächst verkennt die Kammer, dass die Quotelung der Kosten kein von der Differenzmethode der Sache nach verschiedener Berechnungsweg ist, sondern lediglich zur Vereinfachung der Anwendung der Differenzmethode dienen soll. Denn auch bei der Bestimmung der Kostenquoten kommt es nicht auf das rechnerische Verhältnis und Gewicht lediglich der verurteilten und der freigesprochenen/eingestellten Anklagepunkte an, sondern es kommt auch bei der Bestimmung dieser Quoten maßgeblich auf den Vergleich zwischen der gedachten Situation, dass nur die zur Verurteilung führenden Sachverhalte Verfahrensgegenstand gewesen wären, und dem tatsächlichen Prozessverlauf an. Dementsprechend kommt die Möglichkeit einer Bruchteilsentscheidung gerade nicht in den unübersichtlichen, tatsächlich komplizierten Fällen, sondern in den einfachen, leicht überschaubaren Fällen in Betracht, in denen ohne Nachrechnung der tatsächlich angefallenen Auslagen im Einzelnen eine sachgemäße Schätzung möglich ist (Meyer-Goßner aaO, § 464 d Rdnr. 1).
b) Dass im vorliegenden Fall nach der bisher eingeholten Auskunft der am Verfahren beteiligten beiden Richter etwa die Hälfte der angeklagten Tatvorwürfe zur Verurteilung und die andere Hälfte zur Einstellung führte, besagt noch nichts darüber, ob die tatsächlich angefallenen Verfahrenskosten im Falle der anfänglichen Beschränkung auf die zur Verurteilung führenden Sachverhalte tatsächlich auch nur halb so hoch gewesen wären. Da die Teileinstellung des Verfahrens darauf beruht, dass das erkennende Gericht die Anklage und den hierauf fußenden Eröffnungsbeschluss als inhaltlich zu unbestimmt damit unwirksam ansah, kommt es insbesondere darauf an, ob die erkennende Kammer dies bereits seit Anbeginn der Hauptverhandlung so gesehen und dementsprechend die weitere Verhandlung und Beweisaufnahme auf die übrigen, zur Verurteilung führenden Tatvorwürfe konzentriert hat, oder ob die schließlich zur Einstellung gebrachten Tatvorwürfe ebenso wie die anderen umfassend Gegenstand der Verhandlung waren. Im letzteren Fall mag die Stellungnahme der damals mitwirkenden Richter das Verhältnis von Verurteilung zur Einstellung betrage etwa 1 : 1, für eine hälftige Quotelung der Kosten hinreichen. Im ersteren Fall wäre näher zu prüfen, ob überhaupt durch die Einbeziehung der schließlich eingestellten Tatvorwürfe faktisch, wenn auch nicht im technischen Sinn ausscheidbar Mehrkosten verursacht worden sind. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass allein zu Beginn des Verfahrens Verfahrenspräliminarien wie die Verhandlung zahlreicher Befangenheitsanträge mehrere Verhandlungstage in Anspruch nahm. Bei der Vergleichsrechnung wird zu berücksichtigen sein, dass die hierfür angefallenen Kosten (insbesondere Verteidigergebühren) ersichtlich unabhängig von der Teileinstellung angefallen wären.
III.
Der Senat hat ebenso wie die Kammer davon abgesehen, eine Entscheidung in der Sache selbst zu treffen. Entgegen der Auffassung des Bezirksrevisors in der Beschwerdeschrift ist es nicht nur zulässig, sondern im vorliegenden Fall auch sachgerecht, die Angelegenheit zur nochmaligen Entscheidung an den Kostenbeamten zurückzugeben.
Wenn die von der Beschwerde in Bezug genommene Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts aus dem Jahre 1961 dahingehend zu verstehen wäre, dass bei einer Zurückverweisung an den Kostenbeamten (oder den Rechtspfleger) diesem die Entscheidung im Einzelnen vorzugeben wäre (was sich in diesem strikten Sinn aus dem Abdruck der Entscheidung in NJW 1961, 677 nicht ergibt), so vermöchte der Senat diese Ansicht nicht zu teilen. Denn dann würde der Sache nach eine Selbstentscheidung des Senats vorliegen. Es gäbe keinen vernünftigen Grund, warum dann der Senat (bzw. die Kammer in der Vorinstanz) nicht auch formal selbst entscheiden sollte.
Sinn und Zweck der Zurückverweisung ist es, eine der Sache nach bisher ausstehende erstmalige Entscheidung der Ausgangsinstanz herbeizuführen, um so den Beteiligten den an sich vom Gesetz vorgesehenen Rechtsmittelzug nicht zu nehmen. Ähnlich wie in Fällen der Abweisung eines Begehrens als unzulässig (vgl. Meyer-Goßner aaO. § 310 Rdnr. 9 a.E. m.w.N.) ist es auch im vorliegenden Fall zweckentsprechend, den Kostenbeamten erstmals auf Grundlage des richtigen Verständnisses der Differenztheorie entscheiden zu lassen.
Denn bisher ist der Kostenbeamte - fälschlich - davon ausgegangen, dass es auf die Frage der Ausscheidbarkeit von Kosten ankomme; welcher Betrag sich bei Anwendung der Differenztheorie, gegebenenfalls unter Bildung einer Quote, ergibt, ist vom Kostenbeamten bisher nicht geprüft worden. Zudem ist die Sache noch nicht entscheidungsreif. Um den Betroffenen - sowohl dem Verurteilten wie der Staatskasse - hinreichend rechtliches Gehör zu gewähren, müsste deshalb der Senat, wenn er die zur Entscheidung erforderliche Tatsachengrundlage, sprich die Einschätzung des Verhältnisses von abgeurteilten und eingestellten Tatvorwürfen im Sinne der Differenztheorie, geschaffen hätte, den Beteiligten die sich dann ergebenden Kostenansätze mitteilen, bevor er entscheiden könnte. Demgegenüber ist es zweckentsprechender, wenn der Kostenbeamte die entsprechenden Tatsachen selbst ermittelt, hierauf seine Entscheidung gründet und die Beteiligten Gelegenheit haben, eventuelle Einwendungen hiergegen im Wege einer dann statthaften Erinnerung vorzubringen.
IV.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei und ohne Möglichkeit der Kostenerstattung, § 5 Abs. 6 GKG.
Ende der Entscheidung
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